Der Roßbacher Mockel ist längst verschrottet

Thorald Meisel
Freie Presse - Blick nach Böhmen, 13. September 2006

Am 17. September 1906 wurde die Lokalbahn von Roßbach in Böhmen nach Adorf im Vogtland eröffnet

ROßBACH/HRANICE. – Rost haben die Gleise auf dem ehemaligen Grenzbahnhof Roßbach angesetzt. Nur selten kommt noch ein Triebwagen von Asch/Aš herauf. Nach Adorf pendeln schon seit Mitte April 1945 keine Züge mehr. Der "Roßbacher Mockel", wie er im Volksmund genannt wurde, fuhr nur 39 Jahre.

Bahnhof Roßbach, Einfahrt aus Adorf
Die einstige Einfahrt aus Adorf in den böhmischen Grenzbahnhof Roßbach/Hranice.
Foto: Thomas Schindel

So kurz war das nicht geplant gewesen, als am 17. September 1906 die Eröffnung gefeiert wurde. Spätestens 1996 hätten die auf sächsischem Gebiet befindlichen Bahnanlagen Eigentum des sächsischen Staates werden sollen. So war es im 1898 geschlossenen Staatsvertrag mit Österreich-Ungarn vereinbart. Dazu sollte es nicht kommen. Die Geschichte verlief anders.

Der letzte Zug fuhr am 15. April 1945. Er kam nicht mehr bis Adorf. Amerikanische Truppen hatten bereits die Elsterbrücke zerstört. (Anmerkung 04.12.2009: Berichte eines Zeitzeugen belegen inzwischen, dass die Brücke erst im Jahr 1949 im Zuge der Demontage der Trasse abgerissen wurde und dass Soldaten der deutschen Wehrmacht durch eine Sprengung des Gleises an der Elsterbrücke in den letzten Kriegstagen für die Unbefahrbarkeit der Strecke verantwortlich waren.)
Auf dem Bahnhof Freiberg (Vogtl.) war der Zug unter Beschuss geraten, es hatte mindesten sieben Tote gegeben.

Buchtitel
Im Militärverlag Berlin erschien 1988 die im Text genannte Kriminalerzählung von Fred Ufer in erster Auflage.
Repro: Thomas Schindel

Dieser letzte Zug war kein gewöhnlicher gewesen. In den Waggons sollen sich zahlreiche Kunstschätze aus geplünderten böhmischen Kirchen und Museen befunden haben, die nach dem Beschuss erst einmal in Scheunen und Kellern im Grenzgebiet versteckt wurden. Jahrzehnte später tauchten verschiedene Stücke auf internationalen Auktionen auf, was natürlich die Behörden der DDR und der ČSSR aufmerksam werden ließ. Diese damit verbundene Geschichte lieferte den Stoff für die Kriminalerzählung "Fingerzeige eines Toten" (Berlin 1988).

Kriminal- und Unglücksfälle hatten aber schon beim Bau der Bahn mehrfach für Schlagzeilen gesorgt. Am 26. August 1905 war der beim Bahnbau als Vorarbeiter eingesetzte Italiener Giovanni Cecconi an der ehemaligen Pelzmühle in Gettengrün ausgeraubt und ermordet worden. Er hatte die Lohngelder bei sich gehabt: 850 Reichsmark und mehrere Hundert Kronen. Die Tat konnte nie aufgeklärt werden.

Am Morgen des 7. April 1906 waren zwei am Bau beschäftigte Arbeiter tot aufgefunden worden. Die Polizei ging laut den damaligen Presseberichten davon aus, dass sie betrunken gewesen waren und auf dem Weg vom Wirtshaus zu ihrer Unterkunft erfroren sind.

Gleisprägung Donavitz 1939
An einem Nebengleis des Bf. Roßbach ist noch die Prägung "Donawitz 1939" erkennbar. Das Stahlwerk in Donawitz/Österreich produziert noch heute
Foto: Thomas Schindel

Am 4. September 1906, also nur wenige Tage vor der Einweihung der Strecke, starb der am Bau beteiligte Oberingenieur Prokupek. Bei einer Inspektionsfahrt mit zwei Draisinen ereignete sich nahe der Grenze ein Unfall, bei dem Prokupek auf die Gleise geschleudert und überrollt wurde.

Bahnhofsschild Rossbach
An der Fassade des Bf. Roßbach/Hranice ist auch noch der alte deutsche Name zu entziffern.
Foto: Thomas Schindel

Erste Pläne wieder verworfen
Wären die ersten Pläne für den Bau der Lokalbahn umgesetzt worden, hätte die Strecke einen anderen Verlauf genommen.

Sie sollte ursprünglich von Asch über Roßbach nach Ebmath führen und weiter über Triebel und Bösenbrunn nach Weischlitz. Stark gemacht für das Projekt hatten sich 1880 die Unternehmer der stark auf den Export orientierten Textilbranche in Asch und Roßbach. Dass es noch 26 Jahre dauern sollte, ehe die Bahn ins Vogtland fuhr, ahnte damals wahrscheinlich niemand.

Auf ein weiteres Kuriosum der Bahn stieß der Markneukirchner Historiker Werner Pöllmann: Von 1918 bis 1938 gehörte die Strecke Asch-Adorf der Tschechoslowakischen Staatsbahn (ČSD), deren Züge somit zwischen zwei Bahnhöfen verkehrten, die wiederum der Deutschen Reichsbahn gehörten und somit keine Gleisverbindung zum restlichen ČSD-Netz hatte. Der Roßbacher Mockel war eben kein gewöhnlicher Zug.

Zeittafel des Streckenbaus
  • 5. Dezember 1880: Unter Leitung der Bürgermeister Ploß aus Asch und Hofmann aus Roßbach gründet sich ein sächsisch-bömischer Eisenbahnbau-Verein.
  • 18. Juli 1884: Die Österreichische Localeisenbahn-Gesellschaft erhält die Konzession zum Bau und Betrieb der Nebenbahn Asch-Roßbach.
  • 17. Dezember 1892: In Wien wird das neue Landesgesetz zur Förderung von Lokalbahnen veröffentlicht.
  • 21. Dezember: Aus Prag und Wien gehen die Finanzierungszusagen für den Bau der Strecke Roßbach-Adorf ein.
  • 27. November 1898: Sachsen und Österreich-Ungarn schließen einen Staatsvertrag zum Bau der Bahn.
  • 18. August 1903: Sachsen erteilt die Baukonzession.
  • Frühjahr 1905: Nach Regelung aller Grundstücksangelegenheiten beginnt die Firma Zdeněk Kruliš aus Prag mit dem Bau.
  • 6. August 1906: Die Gleise sind vollständig verlegt.
  • 1. September 1906: Der Bahnhof Roßbach erhält in Vorbereitung des Grenzverkehrs ein Nebenzollamt 1. Klasse.
  • 17. September 1906: Eröffnung mit Sonderzug von Asch nach Adorf.