Geschichte und Gegenwart der Bahnstrecke Hranice v Čechách – Adorf

Autor des tschechischen Originalberichts: Richard A. Bílek, Juli 2000
Übersetzung: Thomas Schindel

Mit dem Bau der Bahnstrecke Cheb-Aš-Selb, die von den K.Bay.Sts.B (Königlich Bayerischen Staats-Eisenbahnen) errichtet wurde und die auf ihr am 1. November 1865 den Betrieb aufnahm, wurde die Region des Ascher Zipfels erstmals an das Eisenbahnnetz angeschlossen.

Roßbach, alter Bahnhof
Alter Bahnhof in Roßbach, um 1900
Repro: Thomas Schindel

Die Weiterführung der Strecke sollte sofort anschließend erfolgen, aber der Bau verzögerte sich. Erst in den Jahren 1884 – 1885 kam es schließlich zum Bau der Bahnlinie Aš-Hranice v Čechách (damals und bis 1945 hieß das heutige Hranice v Čechách, Roßbach – im Text werden wir ausschließlich den Namen Hranice verwenden). Erbaut wurde die Trasse von der Österreichischen Localbahn-Gesellschaft, die am 26. September 1885 den Verkehr auf der Strecke aufnahm. Einerseits hatte die Österreichische Localbahn-Gesellschaft ihren eigenen Bahnhof in Aš-Město (Asch-Stadt), andererseits nutzte sie anfangs gemeinschaftlich den Ascher Bahnhof. Ihre eigenen Gleisanlagen hatte sie an der Rückseite des alten Gebäudes.

Die Bahnstrecke endete am Bahnhof in Hranice, der sich damals etwa 400 Meter südlicher als die heutige Station befand. Während die Trasse von Cheb nach Aš eine Hauptstrecke war, hatte der Verkehr auf dem Abschnitt bis Hranice lokalen Charakter.

Die weitere Verlängerung der Strecke ließ wiederum 20 Jahre auf sich warten. Auf beiden Seiten der Grenze, sowohl auf der österreichischen als auch auf der sächsischen, entwickelte sich die für den Landstrich charakteristische Kleinindustrie der berühmten Textilfabriken. Die Produktion dieser Betriebe fand einen Absatzmarkt auf beiden Seiten der Grenze. Freilich musste man die Waren nach Sachsen bedeutend komplizierter transportieren. 1904 kam es zu einem Abkommen mit den K.Sächs.Sts.E.B. (Königlich Sächsischen Staatseisenbahnen) und zur Fortführung der Strecke um weitere 10,4 km von Hranice nach Adorf. Bei dieser Gelegenheit war der alte Bahnhof in Hranice aufzulassen und ein neuer, am heutigen Standort, zu errichten. Die Strecke führte nur kurz auf österreichischem Gebiet weiter. Der weitaus größere Teil lag hinter der Grenze. Obwohl entlang der Strecke nach Adorf nur drei Brücken zu errichten waren, gestaltete sich der Bau recht schwierig. Es waren verhältnismäßig weiträumige Erdarbeiten zu tätigen und so konnten die Bauarbeiten erst 1906 abgeschlossen werden.

Am 18. September 1906 fuhr der erste Zug von Hranice nach Adorf. Betreiber der Strecke wurde wieder die Österreichische Localbahn-Gesellschaft. Aus betrieblichen Gründen war die Bahnlinie mit der Strecke Aš – Hranice verbunden. Auf dem Abschnitt bis Adorf verkehrten erst zwei, später drei Personenzugpaare. Die Strecke war reichlich ausgelegt, sowohl für den Güter- als auch für den Personenverkehr.

Im Jahr 1918 (Anmerkung: Ende des 1. Weltkrieges und Gründung der ersten tschechoslowakischen Republik) änderte sich natürlich auch in dieser Region die Rechtszugehörigkeit. Während die K.Bay.Sts.B (Königlich Bayerischen Staats-Eisenbahnen) weiterhin eigenständig blieben und somit die Strecke (Slapany -) Cheb - Aš (- Selb) in ihrem Eigentum verblieb, wurden die kkStb (k.k österreichische Staatsbahnen) verstaatlicht und den Verkehr auf dem Abschnitt Aš - Hranice - Adorf übernahmen die ČSD (Československé státní dráhy - Tschechoslowakische Staatsbahnen). Es kam zu einer äußerst paradoxen Situation, weil diese Eisenbahnlinie keine Verbindung zum übrigen Netz der ČSD hatte - in Aš mündete sie auf der Strecke der Königlich Bayerischen Staats-Eisenbahnen und in Adorf band sie in das Netz der Sächsischen Staatsbahnen ein (seit 1924 in beiden Fällen die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft DRG). Aus betrieblicher Sicht änderte sich nicht viel und weiterhin fuhren auf dem Abschnitt Hranice - Adorf täglich drei Personenzugpaare, die entsprechend häufig von den Bewohnern des Ascher Zipfels genutzt wurden um zur Arbeit nach Deutschland zu fahren. Kurios war, dass auf dieser Linie ein anderer (höherer) Auslandstarif der ČSD zu zahlen war und das darüber hinaus Angestellte der ČSD für ihre Fahrt nach Hause die Trasse der Bayerischen Staatsbahnen nicht benutzen durften - sie mussten über Adorf-Vojtanov fahren.

Am Betrieb der Bahnlinie änderte sich nichts, bis 1938 das Grenzgebiet an Deutschland abgetreten wurde und die DRG den Verkehr auf der Trasse übernahm. Damals waren täglich sieben Zugpaare aufgeführt, ihre Anzahl verringerte sich allerdings stufenweise. Im Kursbuch der DRG, das ab dem 3. Juli 1944 und "bis auf weiteres" galt, waren wiederum nur drei Zugpaare vermerkt, von denen ein Paar "nur nach Bedarf" - also praktisch nie - verkehrte. Am 12. April 1945 fuhr der letzte Zug auf der Strecke. Bei einem Luftangriff wurde die Brücke bei Adorf zerstört. (Anmerkung 04.12.2009: Ein Zeitzeugenbericht belegt inzwischen, dass die Brücke erst im Zuge der Demontage der Strecke im Jahr 1949 abgebaut wurde und dass Soldaten der Deutschen Wehrmacht die Trasse in den letzten Kriegstagen durch einen Sprengversuch der Elsterbrücke unbefahrbar gemacht haben.)

Vom Mai 1945 an übernahm die ČSD die Trasse von Aš nach Hranice zurück, den weiteren Abschnitt nach Adorf, obwohl in ihren Kursbüchern bis 1952 aufgeführt, natürlich nicht. Die Strecke von Adorf bis zur Grenze kam offenkundig in den Besitz der Deutschen Reichsbahn (DR), die aber ebenfalls weder den Personen- noch den Güterverkehr jemals wieder aufnahm. Im Laufe der Zeit wurden auf deutschem Gebiet der Oberbau und alle drei Brücken abgetragen. Die Substanz war von nun an ihrem Schicksal überlassen. Nach 1990 wurde zwar von den Anliegern in einer Petition die Wiederaufnahme des Verkehrs gefordert, aber offensichtlich interessierte diese Idee niemanden. Auch der Verkehr von Aš nach Hranice sollte in der Mitte der neunziger Jahre immer wieder eingestellt werden, bis heute ist er sehr eingeschränkt.

Eventuelle Interessenten an einem Besuch der Bahnstrecke müssen sich deshalb, so wie auch wir das am 6. Juli 2000 getan haben, auf ihre eigene Füße verlassen. Für die Begehung der Trasse von Adorf aus lässt sich empfehlen, die ersten beiden Kilometer wegzulassen. Aus dem Bahnhof heraus geht man durch die Stadt bis zur Hauptstraße nach Plauen und setzt auf ihr den Weg in nördlicher Richtung fort. Nach zwei Kilometern (vor einer größeren Straßenkreuzung nach links in Richtung Freiberg) ist der von rechts ankommende Bahnkörper auszumachen. (Anmerkung: Da das Laufen auf der Hauptstraße nach Plauen wegen des hohen Verkehrsaufkommens sehr gefährlich ist, empfiehlt der Autor der Webseite sich für den Weg ins Tetterweintal an der Beschreibung der "Mockel"-Wandertour 1 zu orientieren)

Reste der Elsterbrücke
Unweit vom Bahnhof in Adorf fehlt die erste Brücke über die "Weiße Elster"
Foto: Thomas Schindel

Der Grund für diese Umgeheung ist die Tatsache, dass die Bahnstrecke Hranice-Adorf vom Adorfer Bahnhof aus parallel nach Norden, neben der heutigen Trasse nach Plauen, wegführt und sich erst ziemlich weit davon, am Kilometer 31,1 bzw. fast 2 Kilometer vom Bahnhof entfernt, loslöst. Der Ort der Abkopplung ist, auch wenn man zu Fuß auf der Trasse unterwegs ist, recht schwer zu erkennen. Nun kann man noch etwa 100 Meter auf dem völlig zugewachsenen Bahnkörper laufen - und dann fehlt leider die Brücke über den inzwischen tiefen Bach. Falls Sie nun diesen Weg weitergehen möchten, bleibt ihnen nichts anderes übrig als die Variante "Furt" (Anmerkung: durch den Fluss) zu wählen. Im Hinblick auf die üppige und hohe Vegetation ist das aber wirklich kein leichtes Unterfangen. Es folgen weitere 300 Meter bis sich die Bahnstrecke mit der angesprochenen Straße nach Plauen kreuzt. Falls Sie bis hierher auf der Straße gelaufen sind (nicht zu empfehlen), dann sollten Sie nur einige hundert Meter nach rechts auf dem von der Straße aus sichtbaren Bahndamm entlang gehen.

Hier am Kilometer 2,4, wo sich die Trasse mit der Landstraße kreuzt war die erste Station - der Haltepunkt Leubetha. Es scheint so, dass das jetzt an dieser Stelle stehende Gebäude das Stationsgebäude ist.Dafür ist es aber zu groß und passt in seinem Aussehen nicht zur Strecke. (Anmerkung: Am Haltepunkt Leubetha gab es zunächst gar kein Gebäude. Später wurde eine kleine Wartehalle errichtet, die aber auf der anderen Seite stand.) Ab hier ist es schon ohne Probleme möglich auf dem deutlich sichtbaren, leicht ansteigenden Bahnkörper (er wird als Waldweg genutzt), umgeben von einer waldreichen Landschaft, weiter zu laufen.

Ehemaliger Bahnhof Freiberg im Vogtland
Der ehemalige Bahnhof Freiberg im Vogtland
Foto: Richard A. Bílek

Nach knapp 2 Kilometern folgt ein weiterer Übergang über eine Ortsstraße und wir kommen zum Gelände des ehemaligen Bahnhofs Freiberg im Vogtland (km 4,1). An den Gebäuden, die hier auf dem ehemaligen Stationsgelände stehen (vermutlich waren sie unlängst noch bewohnt, jetzt verfallen sie), findet man zwar keine Aufschriften mehr, aber es sind noch Spuren der abgenommenen Schilder zu sehen. Die ehemaligen Lagerhäuser sind ebenfalls ungenutzt, man trifft aber auf ausgebaute und auch neue Gebäude.

Der ehemalige Bahnkörper setzt sich auch weiter fort. Es läuft sich etwas schwieriger, weil in der Umgebung Holz eingeschlagen wird und der Bahndamm mit Fichtenästen bedeckt ist, aber es ist weiterhin ein schöner Spaziergang in einer herrlichen Landschaft. Die Trasse steigt nun schon merklich an und gelegentlich ist der Bahndamm, gegenüber der Umgebung, schon deutlich erhöht. So setzt sich der Weg bis zur nächsten Station fort und man erreicht am Kilometer 7,2 das Bahnhofsgebäude Arnsgrün. Im Unterschied zum Bahnhof Freiberg ist er bewohnt und wurde zu einer wahrhaftig großen Villa im "Alpenländischen Stil" umgebaut, wodurch leider ein wenig die Authentizität verloren ging. Das Gelände, wo ehemals das Gleis lag wird jetzt als Garten genutzt. Es ist eingezäunt und logischerweise ohne Zutritt.

Leider ist in Arnsgrün der angenehme Spaziergang zu Ende. Gleich nach der Station fehlt die zweite Brücke der Trasse über die Landstraße. Man kann sie mühelos in einem Abstand von fünf Metern umgehen,jedoch fängt mit der Rückkehr auf den Bahndamm die Verwüstung an. Es stellt sich die Frage, ob es hier zu einem starken Windbruch kam oder inwieweit der Holzeinschlag hier brutale Formen angenommen hat. Fakt ist, dass wir uns nun in einer beinahe halbmetrigen Schicht aus Fichtenzweigen, kurzen Holzstücken, Borke und weiterem Holzabfall bewegen. Die Wanderung setzt sich nur sehr langsam fort und sie ist ziemlich anstrengend.

Man geht nun weiter auf dem Bahndamm entlang, der sich jetzt zum umliegenden Terrain extrem überhöht zeigt. Aus der Ferne hallte Lärm von Motorsägen, dem wir keine Aufmerksamkeit widmeten - jedenfalls solange nicht, bis plötzlich etwa 20 Meter vor uns ein gerade abgeholzter Baum auf die Strecke krachte. Wir merkten schnell, dass wir noch in Deutschland waren, weil, als wir einige Minuten später bei den Waldarbeitern angekommen waren, uns keiner von ihnen verjagte. Im Gegenteil, wir wurden anständig gegrüßt und sie hörten einfach auf zu arbeiten, bis wir den Bereich passiert hatten.

Staatsgrenze bei Roßbach
Staatsgrenze bei Roßbach Foto: Richard A. Bílek

An dieser Stelle fehlt die dritte und letzte Brücke. In Anbetracht dessen, dass über sie der Weg weiterführt ist das zum Glück kein Problem. Sie umgehen sie einfach seitlich zum Bahndamm. Wir sind nun etwa am Kilometer 8,8 und die Staatsgrenze ist wirklich direkt vor uns. Ungefähr einen Kilometer nach Norden ist der Fußgängergrenzübergang Hranice/Bad Elster, wo es möglich ist die Grenze zu überqueren. Mit Hilfe einer guten Karte können Sie dann legal auf die tschechische Seite und auf die andere Seite des Tals überwechseln. Es ist ein Umweg von vielleicht 3 Kilometern, real sind es 30 Meter. Auf der tschechischen Seite verändert sich das Bild der Trasse. Bisher sind hier die Bahnschwellen vor dem Abriss bewahrt geblieben, ein Stück weiter ragt aus einem Erdwall ein Stück der Gleise heraus. Bis Hranice ist es wieder ein angenehmer Spaziergang. Der Bahnhof (km 10,0) macht freilich schon einen relativ verblühten Eindruck. Die Weg ist hier zu Ende.

Die Zugverbindung nach Hranice ist indess schon sehr spärlich. Die meisten fahren mit dem Autobus, der an Arbeitstagen etwa in stündlichen Intervallen von Asch aus nach Hranice fährt. An Samstagen, Sonn- und Feiertagen fahren aber auch diese nicht. Es existiert lediglich eine Verbindung um 12.10 Uhr nach Asch. Der Bus fährt am Platz im Zentrum ab, hat aber natürlich auch eine Haltestelle an der ehemaligen Tankstelle, ungefähr 300 Meter von der Bahnstation entfernt. Falls Sie um 8:00 Uhr von Cheb aus nach Adorf fahren, ist es möglich den Bus zu schaffen. Sollten Sie keine Phobie auf Gummiräder haben, dann existiert von Asch aus eine direkte Busverbindung nach Prag, wo Sie um 17:15 Uhr ankommen. Falls Ihnen der Bus weggefahren ist, müssen Sie den Zug vor 17:00 Uhr abwarten...