Mit dem "Roßbacher Mockel" durchs Tetterweintal

Werner Pöllmann, Markneukirchen
Vogtlandanzeiger 11. August 1992

Webkunst verband einst Roßbach und Adorf


ADORF. – Am Sonntag trafen sich zum 19. Mal weit über eintausend ehemalige Einwohner beim Heimattreffen der Ascher und Roßbacher in Rehau - wir berichteten bereits.

Roßbach Markt
Die Sankt Martinskirche in Roßbach (Historisches Foto). Im Sommer 1992 fand hier ein deutscher, evangelischer Gottesdienst mit Walter Eibich statt, dem letzten evangelischen Pfarrer des Ortes.
Quelle: Werner Pöllmann

Trotz brütender Hitze säumten hunderte Besucher die Straßen, um den farbenprächtigen Festumzug zu bewundern, an dem sich auch die "Eghalanda Gmoi im Elsterland" beteiligte. Es könnte des letzte solche Treffen gewesen sein, da die Kräfte der oft hochbetagten Organisatoren immer mehr nachlassen und die Roßbacher und Ascher immer noch getrennt marschieren.

Sehr enge sächsisch-böhmische Beziehungen gab es von 1906 bis 1945 zwischen Adorf und Roßbach. In diesen Jahren dampfte der "Roßbacher Mockel", der jenseits der Landesgrenze übrigens "Bockel" heißt, durch das Tetterweintal.

Die Strecke war eine Verlängerung der noch heute bestehenden Linie von Asch nach Roßbach und gehörte bis 1918 der "Oesterreichischen Local-Eisenbahn-Gesellschaft".

Danach fuhren hier zwei Jahrzehnte die Tschechoslowakischen Staatsbahnen ČSD, um zwei Strecken der Deutschen Reichsbahn (Eger - Adorf - Plauen und Eger - Asch - Hof) miteinander zu verbinden.

Am 22. September 1938 endete nach fast 20 Jahren die erste tschechische Herrschaft über den Landkreis Asch, und zehn Tage später erfolgte durch das Münchner Abkommen der sogenannte Anschluß des Sudetenlandes an das Dritte Reich.

Die Adorfer Teppichfabrik Claviez war am 3. Oktober 1938 teilweise ausgebrannt. Die erste Roßbacher Teppichfabrik Wenzel, Hummel & Co übernahm das Adorfer Werk und aus beiden Ortsnamen wurde die Markenbezeichnung "Adoros" geschaffen. Die "Vereinigten Teppichfabriken AG" war der größte transkontinentale Teppichkonzern und stellte Spitzenprodukte her.

Berühmt war der "Kirman Schah", der dichtest gewebte Dreischußteppich der Welt mit 650.000 Noppen pro Quadratmeter in feinster Orientmusterzeichnung. Nach der Vertreibung war die Firma Adoros in Westberlin ansässig und wurde später verkauft.

Seit 1907 gab es in Roßbach eine gewerbliche Fortbildungsschule, aus der eine Weberei-Fachschule hervorgegangen ist. Das Gewerbe begann mit der Herstellung von Leinwand und entwickelte sich über Baumwollmusselin und Flanell bis hin zu Seide und Mischgeweben. Allen weltweiten Modetrends wurde Rechnung getragen. Axminster und Kunstteppiche, Vorleger, Vorhänge, Decken, Tücher, Schals, Kleider-, Futter- und Möbelstoffe, kunstvolle Gespinste und Gewebe sowie Wirk- und Strickwaren aus Roßbach waren auf allen Fachmessen der Welt vertreten und begehrt.

Der Marktflecken, der auch wegen seines Magenbitters in aller Munde ist, war eine Perle der Textilregion zwischen Frankenwald und Erzgebirge. Die Weberstuben in Rehau geben davon Zeugnis.